Józef Salamoniak

Józef Salamoniak

Józef Salamoniaks Leben war geprägt vom Auf und Ab seiner Militärlaufbahn, der Willkür der Vorgesetzten und unzähligen Umzügen. Als vielfacher polnischer Meister und Sieger des Schießwettbewerbs des polnischen Grenzschutzes WOP sowie als erfahrener und gutausgebildeter Soldat wurde er nach seiner frühzeitigen Pensionierung zu einem Bauern degradiert.

Ich heiße Józef Salamoniak. Mein Leben ist mit der Zahl 7 verbunden. Ich wurde am 17 Juli 1927 geboren. Die Zahl sieben ist also in meinem Leben von Anfang an präsent gewesen. Am 7 Juli bin ich zur Armee gegangen. Nach dem 17-jährigen Armeedienst wurde ich entlassen. Die Zahl 7 taucht in meinem Leben regelmäßig auf, aber niemals habe ich etwas dadurch gewonnen.
Ich wurde am Powidzkiesee im Ort Kossewo geboren. Heute gibt es davon keine Spur mehr. Alles wurde zerstört. Es ist nur der Park übrig geblieben. Ich war dort nicht mehr seit meiner Abreise 1938.
Ich komme aus einer kinderreichen Familie. Meine Großeltern waren auf einer großen Meier als einfache Arbeiter tätig. Meine Mutter Marianna, oft Maryśka genannt, hat dort auch gearbeitet. Sie war als das schönste Mädchen in der Umgebung bekannt.

Deshalb hat sich der Gutsbesitzer für sie interessiert. Als ich auf die Welt kam, zerbrach die Ehe meiner Eltern. Mein Vater, ich nenne ihn so, weil er mein biologischer Vater war, hat für uns immer gesorgt. Leider kam nach den acht Jahren unter dem Druck der Familie seine Frau zurück. Auf dem Gut gab es keinen Platz mehr für mich, meine Schwester und meine Mutter. Der Vater wollte gerecht uns gegenüber sein und kaufte für uns einen Bauerhof im nahliegenden Dorf. Unsere gesamte Familie mit Großeltern und Tanten zog dorthin. Das Gut führte meine Mutter mit Hilfe meines Bruders.
Bis zum Ende des Krieges besuchte ich die Grundschule. Ich habe sechs Klassen abgeschlossen, weil ich ein Jahr früher in die Schule gekommen bin. Ich habe sehr gute Erinnerungen an die Schule. Es war eine große Schule, im Dorf Holendry Giewartowskie, ein Kilometer vom Powidzkiesee entfernt. Der Schulleiter hieß Iwański. Er unterrichtete Musik und Körpererziehung. Ich erinnere mich daran, dass er in der Offizieruniform er an die Front ging.
Ich erinnere mich gut an die Lehrerin Frau Kamińska. Sie verstand es, uns Kinder mit nur einem Blick zu beherrschen. Es war eine Art Hypnose. Die Schule existiert bis heute.
Ich war ein begabter Schüler. Mein Vater hat immer gute Neuigkeiten von den Elterabenden mitgebracht.

Der Krieg überraschte uns im Ort Sienno. Wir lebten dort seit 1938. Als der Krieg ausbrach, sah ich zum ersten Mal Flugzeuge. Sie flogen über unseren Köpfen hin und her. In unserem Dorf gab es keine Bombenangriffe. Es lag wie abgeschnitten vom Rest der Welt, zu weit von den Großstädten entfernt. Die Mehrheit der Bevölkerung lebte von der Landwirtschaft und von der Arbeit auf dem Landgut.
Ein Teil der Bevölkerung, so auch meine Großeltern, gingen einer Arbeit in Deutschland nach. Darum konnten sie gut Deutsch.

In unserem Landgut gab es einen Verwalter. Im Winter 1941 haben wir von ihm erfahren, dass meine Mutter, meine Schwester und ich weggehen müssen. Der Rest der Familie konnte bleiben. Der Verwalter hatte ein gutes Herz und erlaubte uns, eine Kuh mitzunehmen und ein Schwein zu schlachten. In zwei Tagen sollten wir aufbrechen. Der Winter damals war hart, die Thermometer zeigten minus 25 Grad.
Unser Weg begann in Kamionka, wo Stanisława, die Schwester meiner Mutter, wohnte. Wir sind 16 Kilometer durch den Schnee gelaufen, mit der Kuh an der Leine und mit dem Fleisch auf dem Schlitten. Dort blieben wir eine Zeit bis zur Eröffnung des Arbeitsamtes. Dann wurde ich gezwungen, zurück aufs Gut zu einem Polen zu gehen, wo ich die Kühe hüten sollte.
Wieder gelangte ich nach Holendry Giewartowskie. Es fällt mir schwer jetzt zu urteilen, wer und wie der Pole war. Er war nicht ganz dicht, glaubte an Geister und daran, dass sein Schwiegervater ihn hindert, das Landgut zu führen. Schuld daran war immer der Geist des Schwiegervaters, obwohl der immer noch am Leben war. Ich erinnere mich daran, wie mich der Wirt im Frühjahr mit aufs Feld nahm. Ich musste mit ihm die Felder weihen um sie von bösen Geistern zu befreien.

Auf dem Gut gab es drei Bienenstöcke, die mich ganz interessierten. Ich beobachtete, wie der Opa für die Bienen sorgte und mit ihnen arbeitete. Ich schlief im Stall, obwohl ich ein Pole war, der auf einem polnischen Bauernhof arbeitete.

Bald ließen sich die Deutschen in der Nähe nieder, die aus der Schwarzmeer Region kamen. Wir nannten sie Schwarzmeerdeutsche. Sie hatten keine Ahnung, was Pflügen und Eggen bedeutet, denn der Boden in ihrer ehemaligen Heimat war von höchster Qualität. Sie brauchten nur zu säen. Wir halfen ihnen beim Bestellen des Ackers und haben ihnen auch einige Begriffe erklärt. Einer der Deutschen, der wie der berühmte Wajdelot aus dem Roman aussah, weil er schön Zither spielte und ein Auge abgedeckt hatte, hat mich wie seinen Landsmann behandelt. Ich habe von ihm eine winzige Mundharmonika geschenkt bekommen. Beim Kühe hüten begann ich spielen zu lernen. Abends veranstalteten wir Konzerte. Wir spielten, während seine Frau und seine Tochter sangen.
Die Deutschen haben uns gut behandelt, nur das Essen war erbärmlich. Jeden Tag zum Frühstück bekamen wir bitteren Tee und ungeschälte Kartoffeln.

Bald haben die Deutschen angefangen, auf dem polnischen Gebiet ganze Dörfer umzusiedeln. So wurden bis dahin deutsche Bauernhöfe polnisch und umgekehrt.
Meine Mutter arbeitete damals bei den Volksdeutschen im Dorf Lipnica, zwei Kilometer von Kosewo entfernt. Nach der Umsiedlung ging sie nach Zberzyn. Das ist ein großes Dorf in der Posener Woiwodschaft bei Konin und Inowroclaw. 1942 wurde ich in denselben Ort wie meine Mutter gebracht. Ich begann bei einer Witwe zu arbeiten, die drei Söhne an der Front und eine Tochter hatte, die nicht ganz richtig war. Es gab dafür viele Beweise.
Einen der Söhne habe ich unter seltsamen Umständen getroffen. Ich saß in einem Wagenabteil "nur für Deutsche." Dort sah er mich. Er hätte mich anzeigen können, tat es aber zum Glück nicht. Oft erzählte er von der Front. Er kämpfte nicht an der ersten Frontlinie, sondern im Ersatzbataillon. Häufig deutete er, dass er lieber in erster Linie wäre, weil er dann wüsste, woher der Angriff kommt. In der Etappe dagegen könne man von überall her angegriffen werden. Er beklagte sich jedoch nicht, verstand die Russen und sagte, dass doch sie selbst den Krieg begonnen haben.

Außer mir gab es auf dem Gut noch drei Polen: Dienerin Jadwiga, Stanisław, der für Pferde sorgte, und Joga, der sich um Kühe kümmerte. Ich wurde zur rechten Hand der Wirtin, weil ich mich für die Bienen so sehr interessierte. Als sie bemerkte, dass ich keine Angst vor Bienen habe, bildete sie mich zum Imker aus. Häufig sagte sie zu mir:
"Jonga, du wirst Bienenvater!" (Offiziell nannte sie mich Józef, wenn wir aber allein waren rief sie mich immer Jonga.). Ich sorgte viele Jahre für die Bienen. Ich kümmerte mich darum, dass sie nicht wegflogen und dass sie keinen Honig stibitzten. Damals galt das Motto: "Alles für die Front"
Den ganzen Honig musste ich entweder verkaufen oder abgeben. Für das Geld kaufte ich Zucker und Brennmaterial. Die Wirtin vertraute mir völlig. Ich fuhr allein nach Kleczew, verkaufte Honig und kaufte das notwendig ein. Das Wechselgeld habe ich ihr auf den dafür bestimmten Platz gelegt. Sie hat mich nie kontrolliert und ich habe sie nie betrogen. Sie war für mich wie eine zweite Mutter. Sie kümmerte sich um mich und meine Familie.
Trotz ihrer 60 Jahre und einem krummen Bein war sie eine herrliche Frau. Sie hatte ein großes Herz. Als meine Schwester auf sog. Schanzen, d.h. Schutzpositionen der Deutschen gebracht wurde und dort schrecklichen Hunger leiden musste, durfte ich ihr im Namen der Deutschen Päckchen schicken. Als Pole war es mir nicht erlaubt, deshalb habe ich meine Wirtin als Absender angegeben.

Als ich bei der Witwe wohnte, lernte ich Zosia kennen. Schnell haben wir zueinander Zuneigung empfunden. Zosia war 14 Jahre alt und arbeitete bei den Deutschen. Außer ihr gab es dort sechs Kinder. Der Besitzer war ein guter Mensch, seine Frau dagegen war eine wahre Schwäbin, falls man das für ein Schimpfwort halten kann, denn Schwabe ist doch keine Nation.

Zosia ging oft hungrig herum. Als meine Wirtin das bemerkte, ließ sie Zosia immer etwas zu Essen holen, z.B. Eier oder Milch. Doch leider wurde Zosia mit ihrer Eltern bald nach Deutschland gebracht.
Während der Okkupation gab es alles nur auf Lebensmittelkarten zu kaufen, sogar eine Hose oder ein Hemd. Meine Wirtin konnte auf dem Spinnrad spinnen. Wir hatten auch eine Weberei. Sie sagte oft zu mir: "Wenn du Handschuhe haben möchtest, musst du dir Wolle der eigenen Schafe auf dem Spinnrad spinnen. Möchtest du ein Hemd, so musst du dir einen Wollfaden und einen Leinenfaden spinnen und ich kann es dir anfertigen." Ich lernte damals auf dem Spinnrad zu spinnen und in der Weberei zu arbeiten, ein Gewebe zu fertigen, auf der Wiese zu bleichen sowie zu stricken z.B. Handschuhe oder Strümpfe. So verging das Leben in Zberzyn während des Krieges.
Zu der Zeit war es in unserem Gebiet ruhig. Es gab keine Spannungen zwischen Polen und Deutschen im Sinne z.B. einer Sabotage. Die Volksdeutschen haben uns für notwendiges Übel gehalten. Niemals aber haben sie uns etwas angetan. Während der ganzen Okkupationszeit hat mich kein Deutscher geprügelt, trotz einer Situation, in der ich mein Leben riskierte.

Nur sporadisch kam eine Gendarmenstreife vorbei und schaute gleichgültig in die Haushalte. Am Ende des Krieges fuhren die Deutschen nur noch Fahrrad, denn sie waren ökonomisch völlig erschöpft.
Gewöhnlicherweise haben die Deutschen ihre Feste als Pflichtversammlungen mit Fahnen betrachtet. Obwohl meine Wirtin sich eher vor dem Heiligen als vor dem Bild Hitlers beugte, musste sie mit ihrer Tochter an solchen Festen teilnehmen.

Am 23 Dezember 1944 geriet ich in Lebensgefahr. An dem Tag droschen wir Getreide. Damals gab es noch keine Mähdrescher. Wir droschen mit eigener Maschine und eigenen Pferden. Das Stroh warfen wir weg. Ich und die anderen Polen wurden schon im Dachboden unterbracht, weil die Tochter der Wirtin schwanger wurde und 24 Männer als potentielle Väter ihres Kindes bezeichnete, darunter zwei polnische Diener.
Einer von ihnen ist davongekommen, der andere wurde verhaftet. Meine Mutter machte sich Sorgen um mich. Sie bat meine Wirtin, mich nicht in einem Zimmer mit ihrer Tochter schlafen zu lassen. Seitdem schliefen wir im Dachboden über dem Stall. Wir bekamen ein Federbett und schliefen dort ganz gut. Kalt war es nicht. Wir fühlten uns wie zu Hause.
Am 23. Dezember haben wir nicht zu Ende gedroschen, denn bei einem Pferd ging das Geschirr kaputt. Wir haben die Arbeit auf den nächsten Tag verschoben. Ich habe das kaputte Pferdegeschirr mit zur Reparatur genommen. Die Wirtin ist ins Bett gegangen. Danach ging ich wie üblich auf den Dachboden schlafen. Ich hatte von der Wirtin eine Taschenlampe bekommen, weil die Öllampe von einem Polen gestohlen wurde. Mich riss ein Getöse an der Dachbodentür aus dem Schlaf. Ich bemerkte Feuer. Ich hatte den Eindruck, dass gerade vor meinen Augen eine Feuerrakete explodierte.
Das Feuer hat den Dachboden verschont, weil wir in der Mitte auf dem Stroh standen. Wir haben die Federbetten auf den Kopf gesetzt und sind hinuntergesprungen. Uns ist nichts passiert, aber wir sind auf unsere Wirtin, auf unsere alte Mutter gestürzt.
Wie sich herausstellte, hatte sie das Feuer bemerkt und wollte uns retten. Sie stieg die Treppe hinauf, um uns zu wecken. Als sie die Tür aufmachte, schlug das Feuer auf sie heraus und sie stürzte. Unten lag glücklicherweise Stroh und ihr passierte nichts. Zusammen haben wir versucht, alles zu retten, was noch übrig geblieben war. Wir haben die Schafe und Pferde herausgeführt. Das Gebäude haben wir mit Wasser begossen. Die Maschinen verbrannten jedoch.
Die Feuerwehr und Gendarmerie kamen. Ich war mir bewusst, was es bedeutet, wenn ein deutscher Bauernhof in Flammen steht. Ich wusste, dass der ganze Hass auf uns Polen fallen würde. Ich überlegte, wie ich mich retten sollte. Ich begann im Schnee nach der Taschenlampe zu suchen. Überraschend habe ich die Öllampe gefunden, die der Stachu bei sich hatte. Sie hätte ein Beweis dafür sein können, dass wir den Stall angezündet haben. Ich habe mit dem Bein ein Loch gegraben um sie in der Erde zu verstecken. Und plötzlich hörte ich die Stimme hinter mir: "Was machen Sie" Ich drehte mich um und sah die Augen eines Gendarmen. Es war der Lange. Den Namen habe ich bis heute im Kopf. Das erste Treffen hat mir viel Angst eingejagt, das zweite aber zu denken gegeben. Ich habe auf Deutsch gesagt, dass ich die Taschenlampe gesucht habe. Er antwortete nur: "Ach so, suchen Sie weiter" und war weg. Die Deutschen sind weggefahren, die Nachbarn brachten das Vieh in den Stall.
Am nächsten Tag hat uns der Wirt namens Gleisner, der Bruder unserer Wirtin (jetzt weiß ich, dass der Name irgendwo in der Geschichte der deutschen Widerstandsbewegung auftaucht, damals wusste ich es nicht), zum Gendarmerieabschnitt nach Kleczew gebracht.
Wir befanden uns in einem ganz normalen Zimmer. Hinter uns stand ein Deutscher und vor uns hing der Spiegel. Der Deutsche verhörte den Stachu, während ich in ein anderes Zimmer gebracht wurde. Zur Hilfe gab es einen Dolmetscher. Als ich aber anfing Deutsch zu sprechen, stellten sie fest, dass ich keinen Dolmetscher brauchte.
Ich sah das Erstaunen in den Augen dieses Deutschen. Er fing an mich zu verhören. In dem Moment überfiel mich große Angst, denn als ich die Fragen beantwortete, folgte mir ein Gendarm mit einer Peitsche in der Hand und prallte damit auf die Handfläche.
Ich sah ihn im Spiegel. Es war eine Art psychisch auf den Menschen einzuwirken, damit er wüsste, dass er in jedem Augenblick geschlagen werden könnte. Ich wurde jedoch nicht geschlagen. Nach zehn Minuten kam der Lange herein und in dem Augenblick habe ich begriffen, dass jetzt Schluss mit menschlicher Behandlungsweise war. Der Verhörer fragte ihn, was er vorgefunden hat, als er mich gesehen hatte. Der Gendarm beantwortete, dass ich herumlief um die elektrische Taschenlampe zu finden, die mir die Wirtin gegeben hatte. Danach wurde er danach gefragt, ob er daran geglaubt hätte. Er antwortete darauf, dass er mir geglaubt habe, weil es die Wirtin bestätigte. Er verlor kein Wort darüber, dass er gesehen hatte, wie ich die Öllampe vergrub.
Zum Verhör mussten wir noch ein paar Mal. Immer wurden wir vom Bruder unserer Wirtin hingebracht.
Am 24 Februar, zwei Monate nach dem Unfall, bekam die Wirtin eine Aufforderung zum Verhör. Sie begann zu weinen, aber sagte uns nicht, worum es geht. Erst ihre Tochter Anna hat angedeutet: "Jetzt aber rücken sie euch zu Leibe!" Dann kam Gleisner, sah den Zettel, und wir sind nach Kleczew gefahren.
Als wir in die Stadt kamen, bemerkten wir einen regen Verkehr von Autos und Pferdewagen von Ost nach West. Der Deutsche schien nicht überrascht zu sein. Er fuhr nicht an die Gendarmerie vorbei, sondern hielt in einer Gasse an, wo ein mir bekannter Mann wohnte, der von uns den Obstgarten mietete.
Nach einer kurzen Unterhaltung stellte er fest, dass es eine Weiterfahrt unmöglich ist, weil die Pferdestation bombardiert wurde. Wir machten uns auf dem Rückweg. Etwa auf der Hälfte der Strecke hielt er an und sagte, dass der Krieg zu Ende sei und dass wir nicht mehr zu unserer Wirtin zurück könnten. Sollte uns Anna noch sehen, so würde sie uns anzeigen, denn sie wusste das in dem Brief stand, dass wir zur Gestapo sollten. Wir haben uns bei ihm auf dem Bauernhof aufgehalten. Sowohl seine Frau als auch seine Tochter waren sehr friedlich uns gegenüber eingestellt. Er zeigte uns unsere Schlafplätze. Er hat uns in den Keller geführt, obwohl es erst dämmerte.
Wir haben dort zwei Männer getroffen. Der erste war Pole, der der Vaterschaft verdächtigt wurde. Der andere in einer mir unbekannten Uniform und mit Gewehr in der Hand war ein Russe, der mit einem Fallschirm abgesprungen und als einzige dem Tode entronnen war. Wir sollten dort das Kriegsende abwarten. Es hat sich herausgestellt, dass dort auch Karl war, der aus der Armee desertierte und sich bei seinem Onkel versteckte.

Im deutschen Gewohnheitsrecht galt, dass ein Mädchen über ein eigenes Zimmer verfügte, wenn es über 16 war. Ohne seine Erlaubnis hatte keiner Zugang.
Deshalb kamen wir abends in das Zimmer der Tochter rein und blieben bei zugezogenen Vorhängen. Die Tage verbrachten wir im Keller.
Wir haben uns über verschiedene Themen unterhalten. Der Russe sprach ausgezeichnet Polnisch und erzählte häufig vom misslungenen Absprung.

Ich weiß nicht, was den Gleisner dazu brachte, uns bei sich zu unterbringen. Am 27 Februar kam ein Bote mit einem Flugblatt, dass alle Deutschen bis zwei Uhr gepackt und zur Evakuation vorbereitet sein müssen. Gleisner öffnete den Keller und ließ uns zur Wirtin zurückgehen. Wir sollten ein Schwein schlachten, während sie mit Anna Brot backen sollte. So haben es wir getan. Als Anna uns bemerkte schrie sie, dass man die Gendarmerie rufen sollte. Gleisner kam mit dem Fahrrad näher und hieß sie ruhig sein.
Alle waren weg außer Gleisner. Stachu und ich, wir sind geblieben und haben uns vor den Deutschen versteckt. Wir warteten bis die Russen kamen. Ich hatte aber kein Zuhause mehr, denn unser Haus war zerstört. Zusammen mit meiner Mutter sind wir nach Kleczew und bei Bekannten eingezogen. Wir blieben dort eine längere Zeit. So endeten meine Kindheit und die Kriegszeit.
Der Diener kam mit uns. Wir sollten bei seiner Schwester untergebracht werden. Vom März 1945 bis Mitte 1946 wohnte ich in drei Orten. Unser Hauptziel war, die Tage zu überleben. Ich nahm meine erste Arbeit auf. Ich fertigte Fischernetze. Ich erhielt von den Wirten Zwirne und fertigte für sie die Fischnetze an. Sie fingen dann die Fische.

Dann habe ich als Holzhauer gearbeitet und später als Müller gegen eine Wohngelegenheit in der Mühle. Ich war auch mal eine Aushilfe des Priesters, mal Kirchendiener. Leider hat uns die Armut nicht loslassen wollen.
Es hat sich geändert, als meine Schwester einen älteren, aber wohlhabenden Mann heiratete. Er hatte einen Abschluss an der Hochschule für Wirtschaft und kam aus einem großen Landgut im Kreis Wrzesnia. Vor dem Krieg arbeitete er als Verwalter auf Bauernhöfen. Meine Schwester und er kannten sich nur sehr kurz, als sie heirateten. Wir hatten weiterhin keinen festen Wohnsitz. Mein Schwager war als Kreis-Lehrausbilder der sog. Bauern-Selbsthilfe (Samopomoc Chłopska) in Konin tätig und erfuhr, dass die Rekrutierung für eine Jugendschulung geplant war. Es ging um die Jugend, die später auf den wiedergewonnenen Gebieten eine landwirtschaftlich-militärische Vorbildung absolvieren sollte. Was sollte ich tun? Ich bin in den Zug gestiegen und kam nach Kęszyca bei Międzyrzecz. Dort gab es eine Kaserne und die Armee. Und dort wurde ich sechs Monate lang zum Bezirks-Lehrausbilder ausgebildet. Ich lernte verschiedene landwirtschaftliche und militärische Sachen. Danach wurde ich automatisch zum Leiter eines Landgutes ernannt, das aufgrund der Landaufteilung (Parzellierung) entstand. Das Schloss, der Obstgarten und der Garten gingen unter Staatskontrolle, das Land wurde unter den Mitarbeitern aufgeteilt. Die Schlösser waren unter Obhut der Gesellschaft der Volksuniversitäten. Ich wurde zum Leiter einer solchen Einrichtung.
Ich war damals 19. Für alles musste ich allein sorgen, ohne meine Mutter und meine Schwester. Am Morgen kam eine Frau und sagte zu mir: "Es ist Zeit. Aufstehen bitte." Ich fühlte mich seltsam, als ich auf den Hof ging, um mich umzuschauen. Alle begrüßten mich mit: "Guten Morgen, Herr Verwalter!" Mit einem Mitarbeiter dieses Gutes - Herrn Wrotecki - habe ich bis heute Kontakt. Wir haben viele Jahre zusammen in der Armee gedient. Wir wohnten in ein und demselben Wohnblock.

Auf dem Landgut organisierte ich verschiedene Interessenkreise für die Jugend, führte die Dokumentation des Landgutes und hatte Aufsicht über die Lernkreise.
Damals war mir dabei der Schwager sehr behilflich, der oft meine Konspekte korrigierte. Dank seiner Erfahrung stand er mir mit Rat und Tat zur Seite. Ich hatte auch eine eigene Wohnung und ein eigenes Gehalt.
Die Gesellschaft der Volksuniversitäten veranstaltete in dem prächtigen Palais auf dem Landgut verschiedene Kurse, die zur kulturellen Erziehung der Frauen bestimmt waren wie Schneider- und Stickereikurse. Die Leiterin dieses Palais war meine Schwester, die den Beruf einer Kindergärtnerin erlernt hatte. Es herrschte damals eine erschreckende Korruption. Der Sohn, also ich, hatte eine Wohnung, weil er als Verwalter unterzeichnete, die Tochter, also meine Schwester, hatte Geld und eine Stelle, weil sie Frau eines Lehrausbilders war. Eine solche Zeit hatten wir damals.
Als ich damals als Bezirks-Lehrausbilder arbeitete, befanden sich unter meiner Verwaltung einige Dörfer wie Lomb d.h. Lądek Zdrój. Es dauerte bis zum 7 Juli 1948, bis ich die Rekrutierungskarte in die Armee in Słupca erhielt. Danach wurden wir nach Konin versetzt. Es was sonderbar, dass ein Rekrut damals wie ein Verbrecher begleitet wurde. Vielleicht deswegen, weil in der damaligen Zeit bewaffnete Menschengruppen unterwegs waren, die im Untergrund aktiv gewesen sind. Hauptsächlich waren es die Soldaten der Heimatarmee (AK), die mit ganzen Bataillonen in Wälder wegflohen. Der Rekrut sollte sicher zum Verband abtransportiert werden und dort wusste man ihn schon aufzurichten und zu pflegen. Sie haben ihm sozusagen das Laufen und das Sprechen beigebracht. Wir sind problemlos in der alten Stadt Kłodzko angekommen.
Ich habe die Einweisung in die Infanterie vom MON (Ministerium für Nationale Verteidigung) bekommen.

So hat die nächste Etappe in meinem Leben angefangen. Zu der Zeit kannte ich bereits meine zukünftige Frau, die ich 1946 noch in Kleczew kennen gelernt hatte, als ich noch als Holzhauer tätig war. Bis dahin war Wiktoria mit ihrer Familie in Deutschland und wir haben in ihrer leeren Wohnung Tanzabende veranstaltet.
So haben wir uns kennen gelernt. Es hat zwischen uns gefunkt, und dann war das Gefühl wieder für eine längere Zeit verschwunden. Vielleicht folgte ich dem Rat meiner Schwester oder Mutter, die unsere Verbindung zuerst verhindern wollten. Später hatten sie meine Frau so gern und hätten sich für mich keine andere Frau vorstellen können. Als ich zur Armee ging, habe ich den Kontakt mit Wiktoria abgebrochen. Durch meine Schwester hatte ich die Tochter eines Arztes aus Wałbrzych kennen gelernt, die ins Palais zum Kurs gekommen war.
Ich erinnere mich noch daran, dass die Arzttochter zur Vereidigung eben gekommen war. Wir haben jedoch keine engeren Kontakte miteinander gehabt.

Im Verband in Kłodzko gab es viele sog. alte Soldaten, die noch an der Front kämpften und dann nicht mehr heimgekommen sind, weil die ganze Familie tot war oder das Haus verbrannt wurde. Ein solcher Mensch konnte nirgendwohin heimkehren und "schwebte" so zwischen Himmel und Erde. Er war zwar in der Armee aber kein Soldat mehr. So haben die alten Soldaten die jungen herangebildet. Wir mussten alles lernen: laufen, mit der Hand winken, "ja wohl" ausrufen, grüßen, Platz machen: alles, was man Schlimmes mit der Armee verknüpft. Damals dachte ich, jetzt aber weiß ich es, dass ein junger Mensch dieses Wissen braucht, um sich das Zivildenken abzugewöhnen und um wie ein Soldat denken lernen.
Jemand rief "Los, springen!", so musste man springen und nicht überlegen wozu und warum. Das war die Armee. Besonders schlimm war jedoch, wenn manchmal der Mensch wie eine gehirnlose Puppe betrachtet wurde; er hatte kein Recht, etwas von sich zu sagen, sondern durfte nur zuhören und zu antworten "ja wohl".
Schlimm war ebenfalls, dass der Unteroffizier gemeine Soldaten plagen durfte, so dass sie am Ende waren.
Ich erinnere mich daran, wie mein Freund auf dem Truppenübungsplatz aus Müdigkeit und Druck ausgerastet ist und den Unteroffizier mit dem Bajonett angegriffen hat. Er wurde nicht verurteilt, sondern für unzurechnungsfähig gesprochen.

Meine Kommandeure bei dieser Grundschulung waren der Oberst Holak und der Zugführer der Sergeant Dąbrowski. Beide hatten einen sehr großen Einfluss auf mein Leben und mein weiteres Militärschicksal. Nach dem Abschluss der Grundschulung wurden wir für die Unteroffizierschule ausgesucht. Sie befand sich in der Kaserne des Bundesgrenzschutzes (WOP) und hatte zum Ziel, die Offiziernachwuchskader für den Bundesgrenzschutz. heranzubilden. Damals wurden die ersten wahren Kader gegründet, die gezielt zum Bundesgrenzschutz herangebildet waren. Das waren keine sog. MON-Kader von der Front mehr. Es war die erste solche Schule überhaupt. Sie war auch eine harte Schule des Lebens.
Schade, es war wirklich eine harte Schule. Unser Vorgesetzter war ein Aussiedler aus Frankreich, der ein wenig polnisch sprach, aber man konnte sich mit ihm verständigen. Nachdem er wegging, löste ihn der Feldwebel Dąbrowski ab, ein alter Frontsoldat. Er hat unsere Truppe, die als die beste galt, übernommen. Als Leutnant ist er in der Offiziersschule mein Vorgesetzter gewesen. Die Schule hat mich das Wichtigste gelehrt, nämlich, dass man erst nachdenkt, bevor man etwas tut. Jeder war für sein Tun verantwortlich. Man lehrte uns auch, dass wir aus den Lernunfähigen gute Soldaten und keine Intellektuellen machen sollten. Ich hatte ein ziemlich leichtes Leben auf der Schule, denn ich verfasste für den Leutnant Lehrpläne. Eine Zeit lang unterrichtete ich selbst, weil ich vorher Schulungen in Taktik, Waffengebrauch und Musterung absolviert habe und somit, meine Untergebene schulen konnte. Damit hatte ich das Vertrauen meines Leutnants und dadurch auch das Vertrauen des Schulleiters des Oberleutnants Holak gewonnen. Ich erinnere mich daran, dass ich einmal meinen Lehrplan bis nach dem Zapfenstreich nicht fertig geschrieben habe und weiter an ihm arbeitete. Der Zapfenstreich endete mit dem Gebet "Alle unsere täglichen Sorgen". Mein Feldwebel hat es gemerkt und befahl mir, am nächsten Morgen, die Kasernenklos sauber zu machen. Alle anderen haben schon gefrühstückt und die Morgengymnastik absolviert und nur ich war eingeschlossen auf der Toilette. Die Kurse fingen immer mit dem Politikunterricht an und ich hatte meinen Lehrplan noch nicht dem Leutnant gegeben, weil ich vom Feldwebel vergessen auf der Toilette eingeschlossen saß. Er fragte die anderen nach mir, aber keiner hatte mich gesehen, weder beim Frühstück oder bei der Morgengymnastik. Nun entstand der Eindruck, dass ich desertiert bin. Der Schulkommandant wurde davon unterrichtet, aber der besagte Feldwebel erzählte ihm, dass er mich auf dem Klo eingeschlossen hat. Ich wurde endlich herausgelassen und Leutnant Dąbrowski fragte mich: "Was habt Ihr dort getan." Ich antwortete, dass ich dem Befehl folgend die Toiletten sauber gemacht habe, weil ich nach dem Zapfenstreich noch am Lehrplan saß. Leutnant Dąbrowski fragte: "Habt Ihr denn nicht erzählt was Ihr geschrieben habt." Ich antwortete, dass ich dem Feldwebel gesagt habe, woran ich noch so spät gearbeitet habe. Dann drehte er sich zum Feldwebel um und fragte ihn, ob er es bestätigen könne. Er bestätigte und räumte sagte, dass es nach dem Zapfstück gewesen ist. Der Oberleutnant Holak hat dem Feldwebel daraufhin richtig eine geklebt. Der Feldwebel versteckte sich unter dem Tisch, damit er nicht noch mehr abkriegt. Es war verwunderlich, zumal der Oberleutnant schon einmal für Schlagen eines Soldaten degradiert worden ist. Zum Glück ist es still um die Sache geblieben.

Im Dezember 1948 habe ich die Unteroffiziersschule als Klassenbester beendet und alles mit sehr gut bestanden. Ich bekam meinen verdienten Urlaub und fuhr nach Kleczew, um mich dort mit meiner jetzigen Frau zu treffen. Schon wieder kam es zu gar nichts zwischen uns, denn ich wurde kalt empfangen und verabschiedet. Vielleicht deshalb, weil sie aus einem gut betuchten Grundbesitzerhaus stammt, und ich dagegen aus armen Verhältnissen vom Dorf. Sie kannte zudem meine Vergangenheit nicht und wusste nicht, dass ich Landbesitz geerbt habe. Unter meinen Bekannten war ich der ärmste und der am schlechtesten gekleideste, aber trotzdem hatten wir viel Spaß miteinander und verstanden uns gut.

Ich wurde in einen Wachstützpunkt nach Kamienica versetzt. Meine guten Zensuren haben mir aber eher geschadet als geholfen bei dem Wehrdienst. Ich wurde zum Truppenführer ausgebildet und sollte im militärischen Dienst eingesetzt werden. Nun bekamm ich eine Stelle als Politoffizier. Ich hatte nun keinen Kontakt mit den üblichen Schieß- und Taktikunterricht. Ich übernahm dafür den Politikunterricht, zwei Stunden freitags und zwei Stunden dienstags. Jeden Tag musste ich die Presse durchgehen und dann darüber Wochenberichte erstellen. Jeden zweiten Tag führte ich eine Gesprächsrunde über kulturelle Themen und Bildung mit den Soldaten. Für das alles war ich zuständig. Oft wusste ich nicht mehr, was ich als erstes machen soll, den Rahmenlehrplan erstellen und dann unterrichten oder umgekehrt.
Der Wachstützpunkt war in zwei Komplexe aufgeteilt. Das Hauptgebäude befand sich in einem Altbau und die Kaserne in śnieżnik in einer Jugendherberge. Mein Unterricht fand jeweils im Hauptgebäude bzw. in der Kaserne statt, somit musste ich ständig hin und her pendeln. Als Transportmittel hatte ich ein Pferd zur Verfügung. Das Tier hatte sich sich so sehr an Menschen gewöhnt, dass es mir ständig hinterher lief. Er reagierte auf mein Pfeifen. Unser Vorgesetzter hatte einen Hund, der Ciapek hieß. Wenn er zu uns zur Kontrolle hinauf zum śnieżnik fuhr, lief der Hund durch Wälder und Wiesen hinter ihm her. Einmal hat der Hund einen Hirsch erschreckt, der dann auf dem Weg in das Pferd unseres Vorgesetzten rein lief. Unser Leutnant fiel vom Pferd und verletzte sich an der Wirbelsäule. Das Pferd lief aber nicht weg, sondern wartete, bis Hilfe kam und der Leutnant ins Krankenhaus gebracht werden konnte. Daraufhin wurde ich alleine für den Wachstützpunkt verantwortlich. Ich musste von nun an auf die jungen Soldaten und auf die altgedienten Frontsoldaten aufpassen.
Auf dem Wachstützpunkt hat mich das Leben wieder mal seine Härte spüren lassen. Ich lernte selber Entscheidungen zu treffen. Ich arbeitete dort bis September 1949 und ging dann in die Offiziersschule des polnischen Bundesgrenzschutzes. Ich brauchte keine Aufnahmeprüfung zu machen, da ich ein hervorragendes Zeugnis aus der Unteroffiziersschule vorzuweisen hatte. Wundersamerweise traf ich dort auch den Oberleutnant Holak, der eine Politschulung und Spähschulung für die Soldaten durchführte. Von Anfang an hatte ich es also leichter, denn alle beobachteten, wie mich der Oberleutnant per Handschlag begrüßte und konnten nur ahnen, was uns verbindet. Zu dieser Zeit war ich ein Truppenführer im Grad eines Unteroffiziers und war zudem verantwortlich für das Waffen- und Munitionslager. Eigentlich sollte er als der Chef dies alles machen, aber als er gesehen hat, wie gut ich es gemacht habe, hat er alles mir überlassen.

Ich teile die Schulzeit in zwei Etappen. In der erste Etappe wurde unsere Schule von einem Polen geführt, vom Oberleutnant Alizarczyk. In der zweiten Etappe hatten wir einen russischen Vorgesetzten. Unter dem polnischen Vorgesetzten hatten höchstens fünf Soldaten Ausgang. Er hat zudem alle streng überprüft. Wir hassten ihn inständig, so wie auch seine 30 Jahre jüngere Frau, die uns Russisch gelehrt hat. Sie war eine wunderschöne junge Frau und alle waren wir in sie verliebt. Aber er war völlig unbarmherzig ihr gegenüber. Es kam so weit, dass sie ihn beim Sicherheitsdienst als ehemaligen polnischen BND-Offizier aus der Vorkriegszeiten denunzierte. Er wurde daraufhin sofort festgenommen.
Nach ihm kam der Romanow. Nun bekam jeder Ausgang. Er erlaubte uns zu trinken, aber wir durften uns nicht erwischen lassen, sonst würde er uns rausschmeißen. Wir sollten uns jetzt austoben, wo er uns kontrollieren konnte und nicht erst dann, wenn wir irgendwo in der Pampa alleine unseren Dienst schieben. Denn dann sollten wir nicht mehr die Sau rauslassen.
Er war 70 Jahre alt und ein hundertprozentiger Kommunist. Er liebte Sport und war selbst auch extrem sportlich und überraschte uns oft mit seinen Gymnastikübungen in der Turnhalle. Ich hingegen trainierte von Anfang an das Schießen. 1951 habe ich an der ersten Spartakiade der Polnischen Armee teilgenommen. Ich belegte den sechsten Platz. Unser Kommandant war selbst ein Schütze, somit gehörte ich zu den Leuten, die er sehr mochte. Er hat auf die Schützen besonders acht gegeben und achtete sogar darauf, dass wir Heringe zum Essen bekamen, die angeblich sehr gut für unsere Augen gewesen sein sollten. Er war auch äußerst moralisch. Ich erinnere mich daran wie er mir meinen ersten Urlaub gab. Nach dem Abschluss der ersten Schulungsetappe hatten wir Prüfungen. Als Belohnung bekam jeder zu Weihnachten einen fünftägigen Urlaub. Wie habe ich mich gewundert, dass ich trotz meiner sehr guten Noten keinen einzigen freien Tag bekam! Es waren noch mehrere davon betroffen. Wir taten unseren Ärger kund, was er auch sofort gespürt hat. Er ließ uns zu sich kommen und sagte zu uns: "Ihr habt selber sehr gute Noten bekommen? Warum habt Ihr nicht euren Kollegen geholfen? Warum habt Ihr denen nicht beim Lernen geholfen? Ihr wollt Urlaub haben? Habt Ihr es euch verdient?" Damit hat er erreicht, dass wir uns schuldig fühlten und nicht er. Er war aber gerecht, und als die anderen vom Urlaub zurückkamen, haben wir sieben Tage frei bekommen. Er hat uns aber damit gezeigt, wie die Moral eines Offiziers auszusehen hat, nämlich dass er nicht an sich selbst, sondern an seine untergegeben Leute denkt.

Die Schule dauerte bis 1951, und nebenbei machte ich einen Fachschulabschluss mit einem so genannten kleinen Abitur. Ich schloss die Schule mit Auszeichnung ab und vom Schulleiter bekam ich einen Fotoapparat geschenkt, auf dem stand "Für den Primus". Mit solch einem Abschluss konnte ich damals auf die militärische Hochschule in Moskau gehen, die fünf Jahre dauerte und mit dem Dienstgrad des Oberleutnants endete. Diese Gelegenheit bekam ich vom Leben. Es hat sich aber in meinem Leben viel durch Wiktoria geändert. Alle meine Urlaubstage verbrachte ich mit ihr, mit meiner zukünftigen Frau. Sie musste in unsere Kaserne kommen, wo ein Offiziersgremium über sie urteilte, ob sie eine Offiziersfrau werden könnte. Völliger Quatsch und Unfug, aber so war damals die Vorschrift. Ich wollte sie erst meinem Vorgesetzten Romanow vorstellen, aber er hat mich zum Teufel geschickt und sagte bloß: "Was soll ich mit ihr? Nimm sie, wenn sie dir gefällt!"
Wir wollten am 26. Dezember heiraten. Wir kehrten nach Kleczew zurück. Vorher musste ich natürlich Urlaub für die Hochzeit nehmen. Der Kommandant fragte bloß, ob wir kirchlich heiraten wollten. Das war auch der Fall, weil meine Mutter es sich wünschte. Für mich und Wiktoria war es nicht so wichtig, aber meine Mutter konnte sich eine Trauung nur vor dem Standesamt nicht vorstellen. Romanow dachte kurz nach und sagte: "Du hast nur eine Mutter." Er hat meinen Urlaub bewilligt. Wir ließen uns kirchlich trauen und so fing eine neue Etappe in unserem Leben an. Wir bekamen eine Einzimmerwohnung über einer Bäckerei. Wir blieben dort nicht lange. Von unserem ersten Gehalt kauften wir uns eine Sofa. Das war unser einziges Möbelstück. Dann lieh ich aus der Kaserne Tische und Stühle aus.

Etwa sieben Kilometer von Kętrzyn entfernt befand sich ein ehemaliges Hitlerquartier, wo auch ein Anschlag auf ihn verübt worden ist. Wir sind einmal mit unseren Bekannten dorthin Pilze sammeln gefahren. Das Gebiet war mit Stacheldraht versperrt und vermint, aber mein Kollege wollte uns hindurch führen. Er ging als erster und schrie plötzlich: "Halt!", als ich zu ihm ging, war er kreidebleich. Er starrte auf eine deutsche Mine. Ein Schritt weiter und wir wären alle tot. Langsam Schritt für Schritt gingen wir zurück ins Auto. Dort mussten wir einfach etwas trinken, denn wir wären um ein Haar tot gewesen.

Nach dem Urlaub wurde ich zu meinen Vorgesetzten bestellt. Empfangen hat mich mein alter Feind Andruschkow, der es mir übel genommen hat, dass ich mich einmal für einen Soldaten eingesetzt hatte. Er fragte mich bloß, ob ich mich kirchlich trauen lassen hätte. Nach drei Tagen wurde ich zur Politabteilung bestellt. Ich konnte damals einen Posten als Leutnant bekommen. Ich saß dort etwa vier Stunden und wurde über meine Hochzeit ausgefragt. Nun fragten sie mich, ob ich der Partei angehöre. Als ich ihnen antwortete, dass ich keiner angehöre und in der Verfassung eine kirchliche Trauung nicht verboten ist, haben sie mir "Danke" gesagt und das war's. Just in diesem Moment wusste ich, dass sich mein Leben ändern wird und dass ich nicht nach Moskau fahren werde. Ich hielt es bis Februar aus. Am 17. Februar wurde ich nach Kostrzyn Odrzański versetzt und erhielt dort den niedrigsten Unteroffiziersgrad. Wir bekamen dort eine Dienstwohnung.
Als ich wegging, hat mich mein Kommandant zu sich gerufen. Ich sah es, dass es ihm sehr schwer fiel, ein Gespräch mit mir zu beginnen. Er rief jemanden aus dem Sekretariat, der meine Akte holte. Er las sich meine Offizierscharakteristik durch. Es stand dort "Ein Offizier mit zwei Gesichtern. Heiratete kirchlich". Der Kommandant strich etwas durch und schrieb etwas dazu. Dann übergab er mir die Akte. Ich öffnete sie erst im Zug, weil ich neugierig darauf war, was dort stand, denn es konnte mein ganzes Leben entscheidend prägen. Ich las über mich, dass ich ein begabter Offizier und Auszubildender sowie ein guter Schütze sein. Es stand aber dort in rot: "Ein Offizier mit zwei Gesichtern". Dies war aber durchgestrichen und daneben stand "Eto nie prawda!" ("Dies ist nicht wahr!"), unterschrieben von meinen Kommandanten. Es war verwunderlich für mich, dass ich solche geheimen Akte mit mir haben durfte, es war nicht nach Vorschrift. Aus Verwirrung hat mir mein Kommandant sie ausgehändigt und so übergab ich sie in meiner neuen Dienststelle in Krosno. Ich wurde daraufhin sofort zum Chef der polnischen BGS in der Region Lubuskie gerufen. Er fragte mich, wer mit erlaubt habe, in die Akte zu schauen. Ich sagte wahrheitsgemäß, dass ich die Akte so bekommen hatte und nichts darin verändert hatte. Es war das Jahr 1952. Ich wurde auf das Übungsgelände geschickt, wo ich Truppenführer wurde. Die ganze Zeit hing die negative Beurteilung wie ein Damoklesschwert über mir. Ich habe das immer zu spüren bekommen. Alle gehörten der Partei an, nur ich nicht. Für mich hatte man keinen Platz.

Einmal fuhr ich mit meiner Truppe nach Zasieki zur Grenze, weil dort viele illegale Grenzüberschreitungen statt fanden. Meine Truppe war für einen Grenzabschnitt zuständig. Wir sollten die Verbrecher fangen. Meine Soldaten waren auf dem Gebiet verteilt. Plötzlich hörte ich einen Schrei und sah, dass einer meiner Soldaten einen Verbrecher gefangen hielt und ein zweiter flüchtete. Der Soldat hat den zweiten laufen lassen, denn es war dunkel und er war alleine. Es wäre sinnlos gewesen hinter dem zweiten Verbrecher her zu laufen. Er bekam dafür aber sieben Tage Arrest. Ich wurde, nachdem es passiert ist, zum Oberleutnant bestellt, der mir eine schlechte Ausbildung vorwarf. Meine Argumente für das richtige Handeln meines Soldaten konnten ihn nicht überzeugen.
Nach vier Tagen wurde ich nach Zasieki als Truppenführer des dortigen Grenzwachstützpunktes versetzt, und es war richtig dort, wo der Pfeffer wächst. Dort gab es nicht einmal ein Geschäft. Die Grenzwachestation war sehr schwer zu bewachen, denn sie lag mitten im dichten Gebüsch. Ich blieb dort ziemlich lange. Wir bekamen eine Dienstwohnung etwa 150 Meter. von meiner Arbeit entfernt. Ich verbrachte mehr Zeit bei der Arbeit als zu Hause, denn es war soviel zu tun. Manchmal nahm ich meine Frau zum Friedhof mit, wo ich das Schießen üben konnte. Die Zielscheibe hing ich auf einem deutschen Grabmal auf und meine Frau hat meine Schießergebnisse dort abgelesen. Neben unserem Haus hatten wir einen Garten. Wir nahmen vom deutschen Friedhof ein Teil der Friedhofsmauer weg, so wie die Deutschen uns einen Teil Polens weggenommen haben, und haben unseren Garten damit umzäumnt. Die Gegend dort war voll mit wilden Kaninchen. Sie haben uns jeden Tag unseren Grenzstreifen kaputtgetreten und wir mussten ihn jeden Tag nachbessern. Oft habe ich mit meiner Pistole dutzende Kaninchen getötet und sie mariniert gegessen. Meine Frau tötete einige vom Küchenfenster aus.

Im Jahr 1954 kam unsere erste Tochter zur Welt, dann etwas später die zweite, und 1957 wurde unser Sohn geboren. Schon wieder wurde ich versetzt, weil ich ständig zu Schulungen unterwegs war und mich nicht um die Grenzwachstation kümmern konnte. Ich wurde nach Słońsk versetzt und habe einen höheren Posten erhalten. Dort gab es eine Strafanstalt und es war ein Bataillon stationiert. Ich bekam den Posten des Bataillonsführers. Wir zogen mit der ganzen Familie in eine sehr schöne und große Wohnung nach Słońsk. Aber nach etwa zwei Jahren wurde die Truppe aufgelöst. Ich konnte nun wählen zwischen einem Grenzwachstützpunkt in Rąpice, der einen sehr schlechten Ruf hatte oder zwischen Krosno, wo zwei Offiziere saßen, die mich absolut nicht mochten. Ich wählte die Versetzung nach Rąpice. Durch den Wachstützpunkt verlief eine Straße. Jeder konnte sehen, was dort los war. Die größte Freude hatten die Mädels aus den umliegenden Dörfern, die ihre Jungs dort besuchten. Man konnte dies nicht verhindern.
Ein zusätzliches Problem stellten die kulturellen und mentalen Differenzen zwischen den einzelnen Dörfern dar. Ein Dorf bei Cybinka bestand ausschließlich aus Ukrainern. Im nächsten, Kłopot, waren die Umsiedler aus Ostpolen, sehr herzliche Menschen. In Rąpice lebten die Posener und in Krzesin lebten nur Zeugen Jehovas. In allen drei Dörfern gab es nur drei heiratsfähige Jungs, dagegen insgesamt 36 freie Mädels. Sie gingen dann zu den 120 stationierten Soldaten. Es wurden dort sehr enge Kontakte geknüpft und einige heirateten sogar später. Ich habe es nicht verboten, denn das Prinzip eines effektiven Grenzschutzes war die gute Zusammenarbeit mit der lokalen Bevölkerung. Sie war zu entwickeln und zu erhalten. Aber jeder hatte zu den Mädchenbesuchen seine eigene Weltanschauung: der eine eine ukrainische, der andere die Auffassung der Zeugen Jehovas und der nächste die eines Ostpolen. Dieser Konflikte übertrugen sich bis auf den Grenzstützpunkt. Es führte zu paradoxen Situationen. Zuerst spielte die Dorfjugend mit den Soldaten Fußball und dann prügelten sie sich mit ihnen. Dann hat man Waffenstillstand vereinbart. Aber die Meldung erreichte meinen Vorgesetzten, weil es in meiner Kompanie sehr viele Spitzel gab.
Ich kann mich daran erinnern, wie sehr meine Tochter von meinen Soldaten gemocht wurde. Oft nahmen sie meine Tochter mit und wollten sie nicht wieder hergeben. Wir hatten Nachbarn, die eine etwas ältere Tochter hatten. Der Nachbar war der Pate unseres Sohnes Romek. Ihre Tochter nahm Teresa oft mit in die Schule. Teresa konnte schon mit drei Jahren in der Zeitung lesen. Wir wollten, dass sie in den Kindergarten geht, aber es gab nicht genügend Kinder. Meine Frau hat also den Beitrag für fünf Kinder gezahlt und so hatten wir einen privaten Kindergarten bei uns zu Hause. Die Kindererzieherin kam dann zu uns.
Dann fing ein weiterer Lebensabschnitt an. Eines Nachts habe ich einen besoffenen Soldaten erwischt. Als mein Vorgesetzter es gesehen hat, befahl er den Soldaten in den Arrest zu stecken. Mir tat er aber sehr leid und ich erlaubte ihm vorher in der Küche noch einen Kaffee. Er aber flüchtete! Ich wusste nicht was ich tun sollte und ging nach Hause zu meiner Frau. Vorher hatte ich die Grenzposten verstärkt. Ich war sicher, dass dieser Vorfall zum Ende meiner militärischen Karriere führen würde. Nach zwei Stunden trafen der Militärstaatsanwalt und der Brigadenführer ein. Ich wusste nichts zur meiner Verteidigung zu sagen, also schwieg ich. Zum Glück hat man den Soldaten später ganz nass und ohne Mütze gefunden. Ich wollte ihn küssen vor Freude, dass er nicht abgehauen war. Er gab zu, dass er Wein getrunken hat und eingeschlafen ist.
Nach ein paar Tagen gab es eine Parteisitzung in Krosno, wobei der neue Komitee gewählt werden sollte. Mein Grenzwachstützpunkt wurde des Wilderns beschuldigt und am meisten kritisiert. Was für eine Doppelmoral! Die mich am meisten kritisierten, jagten und fingen noch wenige Tage zuvor Fische mit mir zusammen!
Nach dieser Geschichte mit dem Soldaten und dieser Sitzung ging meine Karriere steil den Berg hinunter. Einzigen Trost fand ich in den Schießübungen. Trotz meines schlechten Rufes als Offizier habe ich unserer Kompanie Ruhm als Schütze verschaffen können. Niemand konnte mir diese Ehre nehmen. Ich war ein vielfacher polnischer Meister und Sieger des Schiesswettbewerbs des polnischen Grenzschutzes WOP. Erst, nachdem Holak zu uns kam, wurde ich von ihm in Schutz genommen. Es war aber nicht gratis: Ich gab ihm meine schöne Wohnung in einer wunderschönen Villa und nahm statt dessen seine kleinere im Plattenbau. Aber mein Ansehen stieg dann erheblich. Endlich bekam ich den Dienstgrad eines Leutnants und meine Karriere ging von nun an voran! Es waren die siebziger Jahre. Ich arbeitete als Ausbilder trotz meines Gehörschadens, den ich vom Schießen hatte. Ich hörte aber mit dem Schießen nicht auf. Dann schloss ich als erster in seinem Schuljahrgang die Panzerschule in Posen ab. Als ich wieder zurückkam, wurde ich als Ausbilder in Taktik und Artillerie eingesetzt und musste zwischen sechs Uhr und 22 Uhr arbeiten. Es gab für mich keine Freizeit oder Zeit für die Familie. Zusätzlich sollte ich das Abitur nachmachen. Meine Frau musste die Kinder allein großziehen, war aber außerdem in diversen Vereinen tätig.

Nach einem Schießwettbewerb in Bydgoszcz wurde ich völlig taub. Es war ein so genannter Nervenschock. Ich glaubte damals nicht daran, dass der Mensch sich selbst einreden kann, dass ihm nichts fehlt und habe dann einen Landesrekord im Schießen aufgestellt. Ich fuhr zurück nach Hause, wurde krank geschrieben und ging im Garten arbeiten. Dort fiel ich um, und kam nie wieder zurück zum Wehrdienst. Es stellte sich heraus, dass ein Nerv eingeklemmt war. Nach einigen Krankenhausaufenthalten ging ich 1981 in Pension. Ich gehörte trotz meiner vielen Arbeitsjahren und Beförderungen nicht der Partei an.
Als ich wegging, bekam ich weder eine Beförderung oder Belohnung, die jedem zustand. Mein Brigadenoffizier sprach zu mir unangenehm: "Kollege, leider habe ich kein Geld mehr, und kann Ihnen nicht einmal einen Kaffee zu spendieren!" Das war mein Abschied vom Wehrdienst. Meine Militärkarriere endete, wie ein damals sehr populärer Film: mit einem Fußabdruck des Geschäftsführers zum Abschied.
Ich hielt es aber im Zivil nicht aus und arbeitete noch zwölf Jahre in einem staatlichen Landwirtschaftsbetrieb PGR. So eine Karriere: von einem Offizier zu einem Bauer degradiert!